KÜNDIGUNG BEI EIGENBEDARF

Eigenbedarf

KÜNDIGUNG BEI EIGENBEDARF

Die Eigenbedarfskündigung stellt einen Sonderfall unter den Kündigungen dar: Sie ist eine der wenigen Ausnahmen vom sonst so strengen Mieterschutz und neben der sog. Verwertungskündigung die einzige Möglichkeint, ein Wohnraummietverhältnis auch dann zu eenden, wenn der Mieter es nicht zu Vertragsverletzungen kommen ließ.

Eigenbedarf ist anspruchsvoll, aber oft erfolgreich

Die Eigenbedarfskündigung hat nach einigen richtungweisenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für Vermieter heute einen hohen Stellenwert: Haben die Gerichte früher Eigenbedarfskündigungen sehr restriktiv gehandhabt und war es schwer, damit erfolgreich durchzudringen, ist Eigenbedarf für Vermieter heute ein anerkannter Grund um ein Mietverhältnis zu beenden.

Der BGH sieht die Grenzen des Eigenbedarfs großzügig für den Vermieter: Eigenbedarf kann sogar für eine Nutzung als Zweitwohnung oder Ferienwohnung geltend gemacht werden. Laut BGH reicht es sogar, wenn der Vermieter die Wohnung insgesamt nur wenige Wochen im Jahr nutzen möchte (BGH VIII ZR 186/17). Die Anforderungen an den Bedarf des Vermieters sind also denkbar gering.

Wenn eine Eigenbedarfskündigung gut gemacht ist und der sich meist anschließende Räumungsprozess gut geführt wird, sind die Chancen groß, dass der Vermieter mit einer Eigenbedarfskündigung am Ende erfolgreich ist. Meist hat der Vermieter bereits nach einem halben bis dreiviertel Jahr einen Räumungstitel gegen seinen Mieter in der Hand.

In den letzten Jahren sind die Gerichte wgen der großen Zahl der Eigenbedarfsprozesse allerdings wieder restriktiver geworden und hinterfragen das Begehren des Vermieters oft sehr genau. Der zentral wichtige Punkt dafür ist die Beweisaufnahme, in der die Zeugen mittlerweile sehr genau befragt werden und in der der Gegner und das Gericht ganz gezielt nach Widersprüchen und Unstimmigkeiten suchen.

Die gut begründete Kündigung wegen Eigenbedarfs ist der Ausgangspunkt

Zu berücksichtigen ist, dass teilweise eine lange Kündigungsfrist von bis zu neun Monaten (in Ausnahmefällen von bis zu zwölf Monaten) im Vorfeld zu erheblichen Verzögerungen führt. Daher sollte die Kündigung wegen Eigenbedarfs unbedingt sauber begründet werden. Im Regelfall erfährt der Vermieter nämlich erst im Räumungsprozess, dass seine Eigenbedarfskündigung nicht wirksam ist. Die Kündigung wegen Eigenbedarfs kann dann zwar erneut ausgesprochen werden; der Vermieter verliert die Räumungsklage dann aber erst einmal und muss nicht nur die Kosten tragen, sondern auch mit der weiteren zeitlichen Verzögerung leben. Er kann erst nach Ablauf der (neuen) Kündigunfrist wieder Räumungsklage gegen seinen Mieter erheben.

Ein Räumungsprozess dauert heute zwar nicht mehr so lange wie früher, ein halbes bis dreiviertel Jahr muss der Vermieter aber einkalkulieren. Im Anschluss daran wird dem Mieter vom Gericht meist noch eine Räumungsfrist gewährt, die in aller Regel drei bis sechs Monate beträgt. Wenn der Vermieter die Wohnung baldmöglichst nutzen möchte, kann die Aussicht auf eine Verzögerung von bis zu zwei Jahren (wenn vom Mieter mit allen taktischen Mitteln gekämpft wird) durchaus relevant sein. Daher sollte man als Vermieter alles daran setzen, dem Mieter eine gut begründete und auch sonst formal korrekte Kündigung nachweisbar zuzustellen.

Viele Vermieter meinen, dass die Kündigung eines Mietvertrags wegen Eigenbedarfes eine leichte Sache sei und man damit praktisch nur Erfolg haben könne. Ganz so klar und einfach führt eine Eigenbedarfskündigung aber nicht zum Erfolg, wie Entscheidungen der Berliner Gerichte immer wieder zeigen. Oft machen Vermieter Fehler bereits beim Ausspruch der Eigenbedarfskündigung, die sich einfach hätten vermeiden lassen.

Ein gutes Beispiel dafür ist eine Entscheidung des LG Berlin (LG Berlin Az. 64 S 340/21): Hier hatte die Vermieterin die Kündigung wegen Eigenbedarfs damit begründet, dass sie in der Wohnung „unter der Woche“ übernachten wolle. Sie habe oft lange Arbeitstage und wolle nach solchen Tagen nicht mehr mit dem PKW ins Umland zu Ihrem Haus fahren; sie sei momentan oft „sehr spät zu Hause“, da die Fahrzeit rund 120 Minuten betrage und wolle auch „nicht nachts nach Hause fahren müssen“. Vor Gericht erklärte die Vermieterin dann, dass sie nur an drei „langen Tagen“ in der Wohnung übernachten wolle und auf genauere Nachfrage des Gerichts, dass sie an solchen langen Tagen etwa bis 18 Uhr arbeite und folglich gegen 20 Uhr zu Hause sei.

Die Klage wegen der oben genannten Kündigung wurde abgewiesen: Die Vermieterin hatte in der Kündigung mit ihrem Bedarf „übertrieben“ und ihn umfangreicher dargestellt, als er sich dann vor Gericht tatsächlich darstellte. Wegen dieses Widerspruchs hatte das Landgericht Zweifel daran, ob tatsächlich ein Eigenbedarf vorlag und hat die Klage daher abgewiesen. Hätte die Vermieterin den Eigenbedarf hingegen von Anfang an damit begründet, dass sie die Wohnung nur gelegentlich für ein bis zwei Tage in der Woche nutzen wolle, wäre es nicht zu solchen Widersprüchen gekommen. Das Landgericht hätte der Klage vor dem Hintergrund der eingangs genannten Entscheidung des BGH zur sehr geringen Mindestdauer des Nutzungsbearfs dann wohl stattgeben müssen.

Eine Kündigung wegen Eigenbedarfes sollte also sehr sorgfältig ausgearbeitet werden, und die tatsächlichen Gegebenheiten und Nutzungswünsche des Vermieters sollten so genau und realistisch wie möglich geschildert werden. Ziel einer Kündigung wegen Eigenbedarfs muss immer sein, dass sich bei der möglichen Beweisaufnahme vor Gericht keine Widersprüche und Abweichungen zur Kündigungsbegründung auftun.

Der Härtefall

Zuletzt gingen in der Tagespresse Meldungen um, nach denen Mieter wegen eiens so. Härtefelles nicht aus der Wohnung ausziehen mussten. Hier war eine Kammer des Landgerichts Berlin mutig vorgeprescht. Die Presse hatte das dankbar aufgenommen, aber völlig falsch dargestellt. Dass ein Mieter wegen eiens Härtefalles am Ende nicht aus der Wohnung ausziehen muss, kommt zwar vor, ist aber die absolute Ausnahme. Der Mieter muss dafür wirklich triftige Gründe haben und diese auch beweisen. Die Hürden dafür sind denkbar hoch. Entprechend selten kommt es bei Gericht dazu, dass ein Härtefall anerkannt wird. Mieter verprechen sich hier meist viel größere Chancen, als sie tatsächlich haben.

§ 577a Abs. 1 BGB: Die Sperrfrist bei Eigentumswohnungen bedenken

Nach § 577a Abs. 1 BGB besteht in bestimmten Fällen für die Kündigung wegen Eigenbedarfs in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt (wie Berlin) eine Sperrfirst von zehn Jahren, im übrigen Bundesgebiet von drei Jahren. Innerhalb dieser Frist kann das Mietverhältnis nicht wirksam wegen Eigenbedarfs gekündigt werden. Eine solche Sperrfrist gibt es zum einen, wenn der Mieter in eine Wohnung eingezogen ist und das Objekt danach in Wohnungseigentum aufgeteilt wird. Die Frist beginnt dabei sogar erst nach der ersten Veräußerung im Anschluss an die Aufteilung zu laufen. Ist der Mieter bereits in eine bestehende Eigentumswohnung eingezogen, gibt es keine Sperrfrist. Hierauf muss man als Käufer achten.

Als Lebenspartner gemeinsam kaufen: keine Sperrfrist erzeugen!

Zum anderen kann man als Käufer aber auch eine Sperrfrist auslösen, obwohl es ursprünglich gar keine gab: Kaufen nämlich mehrere Personen gemeinsam ein Mehrfamilienhaus, kann nach § 577a Abs. 1a BGB allein dadurch eine Sperrfrist ausgelöst werden. Das dürfte in der Praxis insbesondere für Partner einer Lebensbeziehung relevant sein, die bisher in getrennten Wohnungen lebten und nun gemeinsam in ein Hausgrundstück investieren und vorhaben, eine oder mehrere Wohnungen wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Für Familienangehörige und Angehörige desselben Haushalts gilt eine Ausnahme.

Risiken bei der Beweisführung im Prozess frühzeitig bedenken:

Der Mieter wird vor Gericht in aller Regel bestreiten, dass der Vermieter tatsächlich einen Eigenbedarfsgrund hat und die Wohnung selbst nutzen möchte bzw. dass Angehörige die Wohnung nutzen möchten. Das darf der Mieter ohne weiteres, denn letztlich kann er in den Kopf seines Vermieters ja nicht hineinschauen. Beweisprobleme treten insbesondere dann auf, wenn der Vermieter die Wohnung selbst nutzen möchte: Wenn der Mieter nämlich in Abrede stellt, dass der Vermieter die Wohnung selbst nutzen wolle, muss der Vermieter für seine Nutzungsabsicht Beweis erbringen. Da er selbst als Kläger in einem Gerichtsverfahren aber nicht Zeuge sein kann, muss vorher genau geprüft werden, auf welche Weise eine solche Beweisführung gelingen kann. Mit einer klugen Planung im Vorfeld kann dem Mieter dann meist verdeutlicht werden, dass seine Chancen gering sind. Nicht selten ist der Mieter dann bereit, aus der Wohnung auszuziehen, bevor die Zeugen vernommen werden und es ein Urteil gibt.

Alternative: Mietaufhebungsvertrag und Umzugskostenzuschuss

Der Mieter kann sich in anderen Fällen aber vor Augen halten, dass seine Chancen in einem gut geführten Eigenbedarfsprozess zu gewinnen zwar eher gering sein werden, ihm gleichzeitig aber in Zeiten steigender Mieten durch den Verbleib in der Wohnung über den Kündigungszeitpunkt hinaus durch die erspart Miete für eine neue Wohnung wirtschaftliche Vorteile entstehen, die die Kosten eines verlorenen Räumungsprozesses weitgehend wettmachen. Daher kommt es in der Praxis auch oft vor, dass Abstandszahlungen des Vermieters an den Mieter geleistet werden, wenn dieser sich zum Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags bereit erklärt und die Wohnung daraufhin freiwillig räumt.

Derartige Mietaufhebungsverträge können flexibel gestaltet werden, insbesondere können flexible Räumungsfristen vereinbart werden. Der Mieter hat dann die Möglichkeit jederzeit kurzfristig aus der Wohnung auszuziehen, sobald er eine neue Wohnung gefunden hat, kann andererseits aber die Wohnung notfalls bis zu einem fixen Endpunkt auch länger nutzen. Gerne wird die Abstandszahlung mit der Nutzungsdauer abgeschmolzen. Eine solche Lösung kann für den Mieter wesentlich komfortabler sein, als nach einem verlorenen Räumungsprozess mit dem Gerichtsvollzieher im Nacken nach einer neuen Wohnung suchen zu müssen. Der Vermieter hat den Vorteil, dass er den Bezug der Wohnung einigermaßen sicher planen kann.

Auch wenn das für die meisten Mieter kein schöner Gedanke ist, sollte nach dem Ausspruch einer Eigenbedarfskündigung frühzeitig gehandelt und die Initiative ergriffen werden. Nur so können die gegebenen Verhandlungschancen im vollen Umfang genutzt werden – meist zum Vorteil für beide Seiten.

Der Vorgetäuschte Eigenbedarf

Da es heute für den Vermieter realistsich ist, mit einer Eigenbedarfskündigung vor Gericht durchzudringen, verwundert nicht, dass viele Vermieter Eigenbedarfsgründe behaupten, obwohl sie tatsächlich die Wohnung gar nicht selber nutzen möchten. Spätestens nach der Räumung der Wohnung durch den Mieter müsste der Vermieter Farbe bekennen und die Bedarfsperson müsste auch tatsächlich in die Wohnung einziehen. Tut sie das nicht, müssen schon triftige Gründe dafür vorliegen! Die Erfahrung zeigt zwar, dass viele Mieter in solchen Situationen keine Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen, doch kommt es auch immer wieder vor, dass Mieter nach der Räumung ihrer Wohnung aufgrund einer Eigenbedarfskündigung keine Ruhe geben.

Tatsächlich droht den Vermietern hier ein erhebliches Risiko mit hohen wirtschaftlichen Schäden, so dass später eintretende Veränderungen daraufhin geprüft werden sollten, ob nachvollziehbar dargelegt werden kann, warum die Bedarfsperson die wegen Eigenbedarfs gekündigte Wohnung nun doch nicht bezieht. Solche Gründe gibt es, doch wird dem Vermieter zunächst von den Gerichten immer latent unterstellt, dass er den Eigenbedarf vorgetäuscht habe. Mit diesen Fällen ist also nicht zu spaßen! Zudem ist zu berücksichtigen, dass hier auch strafrechtlich wegen Prozessbetrugs gegen einen Vermieter vorgegangen werden könnte.