Coronabedingte Gechäftsschließung

Coronabedingte Gechäftsschließung

Gesetzliche Vermutung der Störung
der Geschäftsgrundlage

17.12.2020 Gesetzesänderungen zur COVID-19-Pandemie

Der Bundestag hat am 17.12.2020 Gesetzesänderungen beschlossen, die Auswirkungen auf gewerbliche Mietverhältnisse haben können.

Art. 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

§ 44 EGZPO Vorrang- und Beschleunigungsgebot

(1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.
(2) In Verfahren nach Absatz 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.

Warum ist der Bundestag diesbezüglich tätig geworden?

Im Zuge der Eindämmung der Corona-Pandemie kam es zu Maßnahmen, durch welche die Verwendbarkeit der Mietsache für den Betrieb des Gewerbemieters temporär teilweise erheblich einschränkt wurde. Im Mittelpunkt der Diskussion standen insbesondere pandemiebedingte Schließungsanordnungen.

In der Folge hatten Vermieter und Mieter von Ladengeschäften über die rechtlichen Auswirkungen der eingeschränkten Nutzbarkeit von Mietobjekten auf die Mietzahlungspflichten gestritten. Häufig konnten sich Mieter und Vermieter gütlich einigen; teilweise wurden die Streitigkeiten vor Gericht ausgetragen. Einzelne Fälle sind auch bereits gerichtlich entschieden worden und zwar mit unterschiedlichen Ergebnissen: Zwei Kammern des Landgericht München hielten eine Mietanpassung für notwendig und geboten, das Landgericht Heidelberg lehnte eine Anpassung ab, da der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache trage. Wieder andere Landgerichte sahen das Maßnahmengesetz zur Bekämpfung der Pandemie (und dort insbesondere den zeitweisen Kündigungsausschluss) als abschließende Regelung an, mit der Folge einer Nichtanwendbarkeit der allgemeinen gesetzlichen Regelungen (u.a. § 313 BGB).

Das wollte der Bundestag so offenbar nicht stehen lassen und hat daher in Art. 240 EGBGB zur vertragsrechtlichen Regelung aus Anlass der COVID-19-Pandemie den § 7 neu eingefügt.
Ferner gilt: Die gesetzliche Vermutung ist widerleglich. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Gewerbemietvertrag zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden war, in dem eine pandemieartige Ausbreitung des Coronavirus in der Bevölkerung bereits absehbar war (also ca. ab Anfang März 2020).

§ 313 BGB Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Daraus folgt:
Im Rahmen des § 313 BGB wird zukünftig widerleglich vermutet, dass sich mit den Auswirkungen der behördlichen Pandemiemaßnahmen ein Umstand wesentlich geändert hat, der zur Grundlage des Mietverhältnisses geworden ist. Die Vermutungsregelung umfasst damit das erste Element des § 313 BGB (Änderung wesentlicher Umstände). Das zweite Element (Abweichende Regelung bei Kenntnis der Parteien) und das dritte Element (Unzumutbarkeit für eine der Parteien am vertrag festzuhalten) bleiben von der gesetzlichen Regelung unberührt und sind im Einzelfall vom Mieter darzulegen und zu beweisen.

Die Rechtsfolge einer gestörten Geschäftsgrundlage bleibt ebenfalls offen. Die Ausgestaltung der Anpassung ist weiterhin einzelfallabhängig und den Parteien überlassen.

Die Regelung ist bereits in Kraft getreten und gilt auch für alle laufende und bereits abgeschlossene, aber noch nicht rechtskräftig entschiedene Sachverhalte. Das parallel in die ZPO "eingebaute" Vorrang- und Beschleunigungsgebot für derartige Streitfälle soll bewirken, dass die diesbezüglich zu führenden Gerichtsverfahren zügig durchgeführt werden und die Parteien zeitnah erfahren, woran sie sind.

Fazit:
Eine eindeutige und für alle Fälle von coronabedingten Geschäftsschließungen gültige Reglung hat der Bundestag nicht kreiert.
Anders als von vielen "Kommentatoren" gewünscht, hat der Gesetzgeber das wirtschaftliche Risiko nicht einseitig einer Vertragspartei zugewiesen. Die Neuregelung bewirkt lediglich eine Stärkung der Verhandlungsposition des getroffenen Gewerbemieters gegenüber seinem Vermieter. Es wurden weder die Kernelemente Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB noch die allgemeinen mietrechtlichen Regelungen in den §§ 535 ff. BGB geändert oder angepasst. Das bedeutet: Im Streitfall muss das Gericht die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen wie auch schon in der Vergangenheit auf den konkreten Einzelfall anwenden.

Die Darlegungs- und Beweislast liegt dann stets beim Gewerbemieter. Will er eine Vertragsanpassung gerichtlich durchsetzen, muss er insbesondere die Unzumutbarkeit einer unveränderten Beibehaltung des Mietvertrages durch signifikante Umsatzeinbußen und eine nicht erfolgte Kompensation durch staatliche Maßnahmen, Versicherungen etc. darlegen und im Bestreitensfall beweisen. Dabei dürfte es wesentlich darauf ankommen, ob der Mieter alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat um für seinen Geschäftsbetrieb öffentliche oder sonstige Zuschüsse zu erhalten mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkungen jedenfalls teilweise hätte kompensieren können. Dazu zählen auch anderweitige Einsparungen z.B. durch die Anmeldung von Kurzarbeit sowie die Reduzierung oder Einstellung des Wareneinkaufs.

Das bedeutet: Je besser es dem Mieter gelungen ist Zuschüsse von staatlichen Stellen zu erlangen und seine weitergehenden Fixkosten zu reduzieren, desto geringer sind im Prozess seine Erfolgsaussichten im Hinblick auf eine mögliche Anpassung des Mietvertrages.

Der Gesetzgeber hat insoweit auch insbesondere nicht die Rechtsfolgen einer möglichen Störung der Geschäftsgrundlage bestimmt. Diese wurden vielmehr ausdrücklich offengelassen. Die Parteien können insoweit alles Erdenkliche vereinbaren: Stundung, Minderung der Miete bzw. anteiliger oder vollständiger Erlass. Denkbar sind ferner kombinierte Vereinbarungen, bei denen Vertragslaufzeiten geändert werden. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls. Die Vertragsanpassung kann nur im angemessenen Umfang begehrt werden, § 313 BGB gewährt keine Überkompensation.